Integration

Essen verbindet

Gastronomie
27.06.2024

Von: Ute Fuith
Anfang des Jahres eröffnete der Verein „Speisen ohne Grenzen“ ein Lokal am Wiener Yppenplatz. Geflüchtete Menschen kochen dort Speisen aus ihrer Heimat.
Speisen ohne Grenzen

Kurz vor neun Uhr früh wird in der Küche schon emsig gearbeitet. Orientalische Düfte liegen in der Luft, während Gabriel Zirm mit seinem Lastenrad einige Säcke Linsen anliefert. Die Nähe zum Brunnenmarkt macht den Einkauf einfach. „Für uns ist hier der optimale Standort – die multikulturelle Umgebung passt hervorragend zu unserer Vereinsphilosophie“, sagt Zirm. 

Die Idee zu „Speisen ohne Grenzen“ entstand 2015, als sich Gabriel Zirm gemeinsam mit Gleichgesinnten in der Fluchtbewegung engagierte: „Wir wollten die Mängel der staatlichen Abwicklung kompensieren und haben uns ein Konzept überlegt, wie man Menschen mit Fluchtbiografie in den Arbeitsmarkt integrieren kann. Wenn man die Sprache noch nicht beherrscht oder vielleicht sogar Analphabetin ist, schien Kochen das naheliegendste, weil es über sprachliche Barrieren hinweg funktioniert“, erzählt Zirm. 2018 startete der Verein mit drei Mitarbeitern. Ursprünglich lag der Fokus auf Catering für Büros. Ab 2019 folgte die Übernahme der Kombüse im Badeschiff am Wiener Donaukanal. „Dort haben wir auch die herausfordernden Corona-Jahre verbracht, Förderungen haben wir als damals noch zu junges Unternehmen kaum bekommen“, erinnert sich Zirm. 

Kein Bedauern

Trotz der harten Rahmenbedingungen hat der Quereinsteiger den Wechsel in die Gastronomie nie bedauert: „Ich habe Wirtschaft studiert und war viele Jahre bei der Firma Manner im Marketing und der Produktentwicklung tätig und kann eher unternehmerisches Know how einbringen“. 

Für die gastronomische Leitung ist Franziska Fritz zuständig. Sie hat eine einschlägige Ausbildung und und ist ein „hervorragendes Organisationstalent“.  

Knochenjob mit Freude

Das Schöne an der Gastronomie sei es „Gäste glücklich zu machen. Wir bekommen auch laufend positives Feedback. Das macht Freude – obwohl es ein Knochenjob ist“, so Zirm. Mittlerweile arbeiten 20 Menschen für „Speisen ohne Grenzen“. Der neue Standort am Yppenplatz bietet Platz für 100 Gäste im Innenbereich und noch einmal so viele im Gastgarten. Neben dem stationären Betrieb am Yppenplatz und im Badeschiff gibt es noch die Catering-Schiene: „Wir haben sehr viele Anfragen und können Events von 50 bis 400 Personen ausrichten“, so Zirm. Neben der vielfältigen internationalen Ausrichtung sind Authentizität, Frische, Regionalität und Bio wichtige Parameter und auch die Leistbarkeit für die Gäste: Ein vegetarisches Mittagsmenu kostet 10,90 und mit Fleisch 12,50. Gestiegene Warenkosten an Gäste weiterzugeben kommt für Zirm nicht in Frage, ebensowenig wie bei den Gehältern der Angestellten zu sparen: „Wir zahlen über Kollektivvertrag, stellen unseren Mitarbeitern eine Jahreskarte der Wiener Linien zur Verfügung und haben auch nach Möglichkeit einen Teuerungsbonus ausbezahlt.“ Sobald mehr Geld da ist, wird es 1:1 an die Mitarbeiter weitergegeben. „Es geht uns darum, dass wir unsere Gehälter verdienen und unsere Fixkosten finanzieren können und nicht darum teure Anschaffungen zu machen“, beschreibt Zirm. Dazu passt auch die Vereinsstruktur: „Ich finde es stimmig, dass Speisen ohne Grenzen nicht irgendwem allein gehört, sondern dass es so etwas wie ein Kollektiv ist. Wir sind alle angestellt. Wenn es gut läuft, kann auch mehr ausbezahlt werden“, so Zirm.

Von staatlicher Stelle würde sich der Verein als sozial tätiges Unternehmen mehr Unterstützung wünschen. Es gäbe zwar inzwischen das Label „Verified Social Enterprise“ für besonders sozial ausgerichtete Unternehmen, aber „noch besser wäre, wenn damit bestimmte Erleichterungen verbunden wären, wie etwa weniger Lohnnebenkosten oder keine Besteuerung von Trinkgeld“, wünscht sich Gabriel Zirm. Vielleicht treffen diese Vorschläge ja auf offene Ohren.